Zwischennutzung mit Visionen – Interview mit Alex Krüger und Felix Richter
Die Reise der Alten Münze begann vor einem Jahrzehnt, als sie rudimentär mit Veranstaltungs-Partyformaten in den Erdgeschossflächen starteten. Heute sind Felix Richter, Vorstandsvorsitzender des Alte Münze e.V., und Alexander Krüger, künstlerischer Leiter, stolz darauf, zusammen mit zahlreichen weiteren von Tatendrang gelenkten Akteur*innen einen Ort geschaffen zu haben, der weit über eine herkömmliche Veranstaltungsstätte hinausgeht. Mit einem Team von engagierten Menschen, die ihre Leidenschaft und Energie in die Gestaltung dieses Ortes einbringen, hat die Alte Münze eine Gemeinschaft geschaffen, die den Ort mit Leben erfüllt. Ein wichtiges Ziel war für die beiden immer, dass sich durch ein organisches Wachstum ein Kosmos herauskristallisiert, der ein gemeinsames Ziel verfolgt: Freiraum für Kunst und Kultur zu ermöglichen. Trotz des bisherigen Erfolgs stehen Herausforderungen für die Alte Münze weiterhin im Raum. Die Kommunikation über die Bedeutung des Ortes und die Balance zwischen freier Szene und kommerzieller kreativer Wirtschaft sind zentrale Themen. Die Herausforderung besteht darin, den Ort als einen wichtigen Bestandteil der Kulturszene zu etablieren, der nicht nur Vergangenheit repräsentiert, sondern auch zukünftige Entwicklungen fördert. Die Zukunft der Alten Münze sehen Felix Richter und Alexander Krüger in einer stetigen baulichen und inhaltlichen Entwicklung. Der Molkenmarkt und die Öffnung zur Spreeseite sind Teil der Pläne, ebenso wie die fortgesetzte Vielfalt in der kuratorischen Ausrichtung. Dabei soll die Alte Münze sowohl ein Ort für Clubkultur sein, als auch Raum für Ausstellungen, Theaterformate, Konzerte und darüber hinaus bieten. In einem Interview geben die beiden Einblick in die Anfänge, die Herausforderungen der letzten Jahre und ihre Zukunftsvisionen.
Ihr seid jetzt seit 10 Jahren an der Alten Münze. Wie seid ihr zu dem Areal gekommen?
Felix: Die Gegebenheiten vor 10 Jahren waren noch ein bisschen andere, als sie es heute sind – zum Leidtragen vieler Pionier*innen, die auch gerne solche Orte entdecken, gestalten und entwickeln würden. Wir waren in der glücklichen Situation, dass wir hier eine Veranstaltung machen durften. Damals wurde das Areal noch von einer Agentur betrieben, die die Flächen nur temporär geöffnet hatte. Unser Ansatz war oder ist es, sukzessive die Flächen immer weiter zu öffnen und für die Öffentlichkeit, aber auch für den Kiez, das Quartier, zugänglich zu machen. So haben wir begonnen, Veranstaltungen zu machen und dann hat sich daraus mehr ergeben, als wir uns anfangs erträumen hätten können. Wir haben dann den Mut entwickelt, die Flächen anfangs monatlich – also mit einer sehr kurzen Kündigungsfrist von 6 Monaten – zu entwickeln, zu gestalten und zu bespielen und daraus hat sich dann ergeben, dass sich irgendwann die Agentur, die das hier betrieben und bewirtschaftet hat, zurückgezogen hat. Sie haben vermutlich auch gemerkt, dass wir mit neuer Energie und neuem Mut voranschreiten und so kam es dazu, dass wir mehr Flächen erschlossen haben und uns in den Standort hineingedacht haben – so haben wir festgestellt, es braucht zusätzlich auch Begegnungssorte, es braucht ein Café für eine gemeinsame Community, es braucht Ateliers für die Künstler*innen der Stadt und dann ist das entstanden, woran wir jetzt seit 10 Jahren arbeiten.
Alex: Und ich glaube, es ist auch wichtig noch zu ergänzen, dass wir am Anfang noch diese krasse Unsicherheit hatten, weil es immer nur diesen Halbjahresvertrag gab und wir nicht wussten, wie geht‘s weiter und wie entwickelt sich sozusagen auch die politische Lage und obwohl uns viele davon abrieten und meinten, es lohnt sich nicht, diese Investitionen zu tätigen, so haben wir eben dennoch dafür gekämpft, diesen Ort zu entwickeln und dann zu dem zu machen, was er jetzt ist und ich glaube, da war auch ein stückweit dieser Mut wichtig und das Durchhaltevermögen. An vielen Stellen sind wir auch auf große Probleme gestoßen, trotzdem haben wir Stück für Stück diesen Ort entwickelt und so etwas geschaffen, was unserer Meinung nach für die Stadtgesellschaft einfach auch wichtig ist.
Was macht den Standort für euch so besonders?
A: Ich bin ja ein riesiger Freund von alten Gebäuden. Ich finde es super spannend, wenn historische Gebäude umgenutzt werden. Die Seele dieses Gebäudes, die erzählt diese Historie auch heute noch. Als der Ort noch als Münzprägeanstalt genutzt wurde, wurde mit viel Energie etwas erschaffen und produziert, eben Münzen geprägt und wir prägen den Ort jetzt mit Kunst und Kultur – diese Analogie finde ich einfach schön, weil wir sagen, der Ort ist jetzt nicht umgenutzt worden zu Loft-Wohnungen oder Parkhäusern, sondern wird genutzt für Kultur- und Kunst-Kreation. Das finde ich aus der Historie heraus sehr wichtig und super schön.
F: Das Besondere sind zudem die Ateliers, die öffentlichen Formate, aber auch die Gastronomie und alles, was in Kontext von Präsentation, aber auch Kunstproduktion, fällt. Das macht es gerade so spannend, weil hier von der Produktion bis hin zur Präsentation alles vor Ort erlebbar ist. Was mich persönlich auch fasziniert, ist die Art der Nutzung, so wie sie jetzt ist, sich organisch entwickelt hat und nicht vorab starr geplant wurde, sondern sozusagen im Prozess der Pioniernutzung festgestellt wurde, welche Räume eignen sich wofür und haben welche Qualitäten. Das merkt man glaube ich auch, wenn man den Standort begeht, wo eignen sich Räume für Clubkultur, wo kann eine Ausstellung präsentiert werden, wo ist gemeinschaftlicher Zugriff wichtig, das beinhaltet dann auch das Café und seine Situierung sowie das weitere gastronomische Angebot.
Was bedeutet Pioniernutzung bei euch in der Alten Münze?
F: Pioniernutzung bedeutet für uns vor allem eigenverantwortlich tätig zu werden; zwar immer mit gewissen Vorgaben und Abstimmungen, aber eigenverantwortlich tätig in dem Sinne, dass wir Künstler*innen aus der Freien Szene nach unserem Nutzungscode die Flächen zur Verfügung stellen und einen gewissen Anteil an Formaten bewusst aus dieser Szene hier stattfinden lassen können, aber eben auch die Kreativwirtschaft und vor allem die Clubkultur an dem Standort auch Präsenz haben. Das ist deshalb wichtig, damit wir die Gehälter aller Mitarbeitenden bezahlen können und eben auch weiter diesen Standort weiterdenken und entwickeln können, deshalb sind wir grundsätzlich offen für jedes Format – natürlich gibt es Grenzen, aber am liebsten soll alles im Kosmos von öffentlichen Formaten, Clubkultur, Performances stattfinden, aber es ist auch nicht umgehbar, dass unter der Woche mal an einem Dienstag eine Konferenz stattfindet, die aber natürlich nur kurzfristig und punktuell die Räumlichkeiten belegen, um hauptsächlich den Raum frei zu halten für Kunst und Kultur. Das ermöglicht uns Spielräume und Möglichkeiten, um nicht auf einen permanenten Fördertitel seitens des Senats angewiesen zu sein.
Welche Werte sind euch bei der Bespielung der alten Münze wichtig?
A: Die Alte Münze steht für uns ganz klar als ein offener und sicherer Ort – ein Safespace, wo unterschiedliche Menschen zusammenkommen und sich frei ausleben können, Kultur gestalten, aber auch Kultur erleben können. Uns ist dieses Miteinander wichtig, eine Offenheit und Sicherheit, die wir sowohl für Besuchende, aber auch für die Künstler*innen bieten wollen, damit sich alle frei ausleben können. Ich glaube, da ist schon dieser Ursprungsgedanke der elektronische Musikkultur verankert: egal welche Hautfarbe, egal welche Religion, egal welche sexuelle Orientierung, vor der Musik ist Raum für alle und dieser Gedanke einer großen Gesellschaft wurde leider oftmals vergessen, dem versuchen wir entgegenzusteuern.
F: Und das beinhaltet eben auch die Community an sich, die für die Alte Münze so wichtig ist. Diese muss gepflegt und eingebunden werden, sei es bei verschiedensten Formaten wie zum Beispiel bei unserem Sommerfest, aber auch bei anderen Formaten, wo wir bewusst auf Akteur*innen zugehen, die hier vor Ort sind und wir darauf achten, wie man diese einbinden kann.
Welche Herausforderungen seht ihr aktuell und für die Zukunft der Alten Münze?
A: Ich glaube, eine der größten Herausforderung für uns ist jetzt, klar zu kommunizieren und es uns zur Aufgabe machen, dass wir zeigen, dass wir in den letzten 10 Jahren hier Verantwortung übernommen haben, um den Standort zu entwickeln und zu dem gemacht haben, was er jetzt ist. Wir haben in diesem Entwicklungsprozess auch super viel gelernt, haben Raum für Raum hier erschlossen haben und auch kuratorisch uns extrem weiterentwickelt, um eine breite Vielfalt und Diversität reinzubringen und dieser Prozess ist weiterhin offen, hier lernt man nie aus. Unser Ziel jetzt für die Zukunft ist es auch, den Ort weiter zu gestalten, weiter zu entwickeln und mit den unterschiedlichsten Künstler*innen und Kollektiven die Alte Münze auf die nächste Stufe zu heben und da sind wir auf jeden Fall sowohl baulich, als auch kuratorisch meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg.
F: Eine weitere Herausforderung, die ich sehe, ist auch zu vermitteln, wie es hier mal vor 10 Jahren aussah oder was sozusagen alles geleistet wurde, auch baulich natürlich. Vor allem, dass die Gesellschaft und die Stadt auch merkt, wie viel an Energie und Zeit es gekostet hat, erstmal zu diesem Punkt zu kommen. das darf an der Stelle nicht vergessen werden. Vor 8 oder vor 10 Jahren ist keine*r auf die Idee gekommen, dass man hier jetzt relativ einfach und schnell Veranstaltungen umsetzen kann – dafür war schon jede Menge notwendig, um hier her zu kommen und manchmal ist es schwierig, das hervorzurufen und auch angemessen zu vermitteln.
Um das Areal auf die nächste Stufe zu stellen, welche Ziele und Visionen habt ihr hierfür?
A: Also ein wichtiger Punkt ist die stille, bauliche Entwicklung – auch in Verbindung mit dem Molkenmarkt, der umgebaut wird. Und die Öffnung, auf inhaltlicher aber auch gebäudestruktureller Ebene, wie über die Spreeseite. Kuratorisch wollen wir weiter den Weg gehen, den wir jetzt schon angefangen haben, nämlich noch vielfältiger zu sein, Clubkultur als Kultur erlebbar machen, Ausstellungsformate selber umsetzen, Theaterformate und Performances mehr Möglichkeiten bieten und da sind wir mit unserem neuen Team auf dem besten Weg.
F: Baulich und inhaltlich sehe ich weiteres Entwicklungspotential – das Areal steht unter Denkmalschutz und für die Instandhaltung sind einige wichtige Dinge noch zu erledigen, ein paar konnten wir schon umsetzen, aber manches konnte nur eher improvisiert und rudimentär umgesetzt werden. Aber gerade, dass das Areal noch öffentlicher werden kann, und man die Schnittstelle schafft zum Mühlendamm, zur Mühlendammschleuse, ist auch in Zukunft geplant, im Kontext der Sanierung, dass es zwei separate Zugänge gibt, was das Areal natürlich noch öffentlicher macht, weil es von verschiedenen Achsen begangen werden kann. Das ist etwas, dass den Standort auf jeden Fall voranbringt und inhaltlich, dass wir weiterhin Formate unterstützen, aber auch eigene Formate entwickeln, die dann auch in die Stadt strahlen.