W1P Studios: Gemeinschaft, Akzeptanz, Vielfalt
Die kreativen Köpfe hinter dem Slow Fashion Label W1P Studios erzählen von ihrer Arbeit und geben Einblick in ihre Welt der Fashion und Kreation. Anaëlle und Charlotte erzählen, wie ihre gemeinsame Reise begann, warum Slow Fashion ihre Mission ist und wie sie Wissenschaft und Technik nutzen, um ständig in Bewegung zu bleiben. Sie vereinen ihre Leidenschaft für Mode mit dem Wunsch nach Gemeinschaft, Akzeptanz und Vielfalt. W1P Studios ist ein Label, das Qualität nicht nur als Maßstab, sondern als künstlerisches Statement betrachtet.
Wer seid ihr und was macht ihr?
Anaëlle: Wir sind Anaëlle und Charlotte und wir sind die Gründerinnen und Designerinnen hinter dem Slow Fashion Label „W1P Studios“.
Charlotte: Das haben wir zusammen 2022 während unseres Studiums gegründet. Unsere Mode ist genderfluid, die auf den Werten Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion aufbaut.
Was hat euch dazu bewegt, ein Fashion Label zu gründen?
A: Im Studium haben wir uns durch ein gemeinsames Semesterprojekt näher kennengelernt und ziemlich schnell gemerkt, dass wir die gleichen Werte, Ästhetik und Arbeitsweisen teilen – wir waren einfach auf einer Wellenlänge.
C: Auf unsere damalige Arbeit haben wir dann ziemlich viel Resonanz bekommen, vor allem auch von der Öffentlichkeit. So ist dann der Gedanke entstanden, was wäre, wenn wir einfach weiter als Team arbeiten und damit wurde auch der Grundstein unseres heutigen Labels gelegt.
A: Was uns dann noch mehr animiert hat, den Gedanken des eigenen Labels voranzutreiben, war, dass in den meisten Unternehmen der Modebranche eine Arbeitsweise praktiziert wird, mit der wir sehr unzufrieden gewesen sind.
C: Wir haben festgestellt: Wir wollen etwas bewegen und verändern! Am einfachsten war das natürlich, dann selbst etwas zu starten.
W1P steht für Work in Progress. Ihr wollt als Marke ständig in Bewegung bleiben. Wie äußert sich das?
A: Als Menschen, als Kreative, in der Mode, aber auch als Gesellschaft sind wir immer in Bewegung, stehen nie still, verändern uns kontinuierlich. Diese Prozesse finden sich so auch in unserer Arbeit wieder. Hauptsächlich in zwei Aspekten. Zum einen bei unseren Kollektionsentwicklungen, indem wir gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen, diese als Inspirationen nutzen und am Ende in Mode übersetzen. In der Vergangenheit waren das beispielsweise Themen wie „Toxic Masculinity“, „Body Positivity“ und „Burn-Out“.
C: Unser Anspruch ist dabei, herauszufinden, was uns, unser Umfeld oder die Gesellschaft im Allgemeinen momentan bewegt, dann uns selbst intensiver mit diesen Themen zu beschäftigen, zu wachsen und weiterzuentwickeln und schließlich der Thematik eine Plattform zu geben. Der andere Aspekt ist unser Label im Großen und Ganzen. Wir wollen mit W1P Studios möglichst nicht in zu starre Muster geraten und uns kontinuierlich weiterentwickeln, wie wir unser Unternehmen nachhaltig, divers und inklusiv ausbauen können. Und dabei ruhig auch mal unkonventionelle Wege gehen.
Euer Fokus liegt laut eurer Website auf Slow Fashion. Könnt ihr die Dringlichkeit dieser Fokussierung erläutern und weshalb ihr euch dazu entschlossen habt?
A: Der Hauptgrund für diese Arbeitsweise ist unser persönlicher Wunsch, eine nachhaltige Zukunft mitzugestalten. Innerhalb der Modebranche ist dabei vor allem das Ziel, eine Gegenbewegung zur Fast Fashion zu sein. Dort werden bis zu ca. 50 Kollektion pro Jahr (!) designt. Dabei wird ungefähr 40 % der produzierten Ware nicht verkauft und am Ende verbrannt. Und selbst die verkaufte Kleidung wird von den Endkonsument* innen im Durchschnitt nur vier Mal getragen, bevor sie wieder entsorgt wird.
C: Das sollte unserer Meinung nach auf keinen Fall der Standard sein! Wir plädieren ganz klar dafür, dass weniger produziert und konsumiert werden sollte und Ressourcen geschont werden müssen. Und wir sehen uns dabei in der Verantwortung von Anfang an weniger anzubieten. Deshalb entwickeln wir meistens eine Sample-Kollektion mit nur ein oder zwei Stückteilen pro Design.
A: Erst sobald diese verkauft wird oder in einer anderen Größe, als vorhanden bestellt wird, produzieren wir nach. Dadurch entsteht bei uns keine überschüssige Ware.
C: Auch in unserer Produktionsweise handeln wir bewusster und dadurch langsamer als herkömmliche Fast Fashion Brands. Wir setzen viel auf Handwerk und Handarbeit. Manche unserer Strickteile benötigen zum Beispiel mindestens 20 Stunden in der Herstellung, manche aufwändig genähten Unikate genauso lang. Mit welchen Materialien arbeitet ihr bevorzugt? Und warum?
A: Wir fokussieren uns auf die Arbeit mit natürlichen Materialien wie Baumwolle, Wolle, Leinen und so weiter. Dabei arbeiten wir mit ganz klassischen Stoffen. Ein weiterer Fokus unserer Brand liegt auf Strickware. Diese gibt uns die Möglichkeit, die Abfälle auf ein Minimum zu reduzieren und schmiegt sich besonders schön an den Körper an.
C: Unsere Ressourcen sind oft Deadstock-Materialien, also überschüssige Ware von größeren Firmen, sowie Secondhand-Materialien, die wir aufarbeiten.
Ihr seid ein Artist-Duo. Wie gestaltet sich das gemeinsame Arbeiten und kreieren?
A: Unsere Arbeit zeichnet sich besonders durch unseren permanenten und sehr engen Austausch aus, quasi ein ständiges Ideen-Ping-Pong. Jede Kollektion entwickeln wir zu 100% gemeinsam. Auch im sonstigen Arbeitsalltag arbeiten wir stark als Team, da hat dann aber doch jede von uns ihren Schwerpunkte. So ist Charlotte mehr der Strick-Profi und ich fokussiere mich mehr auf die Designs, die klassisch genäht werden.
C: In den letzten Jahren haben wir zudem eine gemeinsame Designsprache entwickelt. Wir kennen die Kreativprozesse der jeweils anderen genauestens und wissen, an welchen Punkten wir im Schaffensprozess zusammenkommen, unsere Visionen und Ideen ergänzen, aber gegenseitig auch kontinuierlich challengen und hinterfragen. Insgesamt ist es ein wunderschöner Prozess, wenn wir richtig im Flow sind, dann ist es ein wenig so, als werden aus zwei Hälften eine.
Wie sieht der kreative Prozess in eurem Studio aus, wenn ein neues Projekt startet? Welche Schritte und Methoden sind typisch für eure Arbeitsweise?
A: Zunächst suchen wir uns, wie schon beschrieben, unser Oberthema und gehen in eine meist sehr intensive Recherchephase. Sowohl inhaltlich, aber auch kreativ. Wir sammeln Farben, Gegenstände, Fotos, Strukturen, die uns inspirieren und die wir mit unserem Oberthema verbinden.
C: Danach beginnt der kreative Part, wo wir überlegen, wie wir das Thema in eine Farbwelt und Designs übersetzen wollen. Da entstehen zunächst ganz viele lose, grobe Skizzen, die wir an unsere Pinnwand hängen – wie so ein großes visuelles Board.
A: Da schauen wir mit Abstand immer wieder drauf, jede bringt ihre Ideen ein, wir entwickeln die Sachen weiter, denken sie neu und verwerfen sie auch oft. Stück für Stück entsteht dann die Vision des Endprodukt. C: Parallel gehen wir auf Materialsuche. Von da an geht es in die Realisationsphase, es werden Prototypen entwickelt, Schnitte erstellt, Stoffe gesucht und schließlich genäht und gestrickt. Aktuell produzieren wir hier alles selbst in unserem kleinen Studio in der Alten Münze.
Eure Leitthemen sind GEMEINSCHAFT, AKZEPTANZ, VIELFALT, NACHHALTIGKEIT. Wie spiegelt sich das in eurer Arbeitsweise? Ist dies auch Teil des künstlerischen Ausdrucks oder mehr der Produktionsebene?
C: Das spiegelt sich ganz vielseitig in unserer Arbeit wider und zieht sich durch viele Bereiche. Natürlich in unserem Day-to-Day Arbeitsalltag hier im Studio. Wir gehen gegenseitig achtsam mit uns und unserem Team um. Schaffen eine Atmosphäre, in der jede:r gehört wird und Ideen äußern und beitragen kann. Werte wie Gemeinschaft, Akzeptanz und Vielfalt setzen wir aber auch intern, wie extern um. Das zeigt sich zum Beispiel in unseren beruflichen und kulturellen Hintergründen sowie denen unseres Teams, der Chancengleichheit bei W1P Studios. Aber auch in unseren Designs, unserem Größenangebot oder beispielsweise in der Modelauswahl für unsere Kampagnen.
A: Die Nachhaltigkeit spiegelt sich natürlich besonders in unseren Produkten und der Herstellungsweise wider. Aber auch andere Bereiche denken wir in diesem Aspekt mit, die man vielleicht nicht sofort sieht, wie die Logistik, die Wahl unserer Geschäftsbank, die Verpflegung und Transportmittel rund um Shootings und vieles mehr.
Ihr seid stets auf der Suche nach neuen nachhaltigen Produktionsmethoden. Inwiefern spielt Wissenschaft und Technik für euch dabei eine Rolle?
C: Eine sehr große. In der Wissenschaft werden gerade immer mehr neue Materialien oder Herstellungsprozesse entwickelt, die ressourcenschonender sind. Auch wir versuchen dahingehend immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben und wo möglich unsere gängigen Materialien gegen neue und bessere auszutauschen.
A: Und auf der technischen Seite gibt es inzwischen fantastische Softwares, mit denen zum Beispiel digitale Modellentwicklung mit Fittings möglich ist und wir nicht mehr unzählige Prototypen nähen müssen.
Qualität steht bei euch hoch im Kurs. Welche modernen oder traditionellen Techniken gewährleisten eurer Meinung nach einen hohen qualitativen Standard?
A: Durch unsere sehr kleine Produktion hier vor Ort können wir viele Handwerkselemente in unsere Arbeit einfließen lassen und viele Designs entstehen im Flow und wir können kurzfristige kreative Änderungen vornehmen.
C: Bei der Strickware mischen wir auch traditionellen Handstrick mit Maschinenstrick. Durch diesen Mix entstehen besondere Designs, wo wir hier vor Ort die höchste Qualität anstreben.